Dem Faible des Schwarzwälder Jazzmäzens Hans Georg Brunner-Schwer für swingende Pianisten ist zu verdanken, daß ab den späten 1960er Jahren das Städtchen Villingen zum Mekka für die Jazzwelt wurde. Wegen seiner innovativen Aufnahmetechnik, die den Flügel auf Schallplatte ebenso präsent wie im Konzertsaal erklingen ließen, pilgerten vor allem Pianisten aus aller Welt in den Schwarzwald, um in Bilderbuchlandschaft betörende Jazzklänge aufzunehmen.
Diese Platten fanden Anklang nicht nur bei gestandenen Jazzfans, für viele junge Musikfreunde waren sie der erste Zugang und Schlüssel zum Jazz. Sie prägten auch den 1962 in Wiesbaden geborenen Christof Sänger. Der ist spielt mittlerweile mit bekannten Musikern wie Ernie Watts zusammen und kann auch sein Faible für afrokubanische Musik nicht verbergen, aber immer wieder reizt ihn das Solospiel und die kreative Auseinandersetzung mit vertrautem Material des American Songbooks.
Wie oft schon ist „Perdido“, das Stück von Juan Tizol interpretiert worden? Natürlich auch von Oscar Peterson bei seinen legendären Hauskonzerten in Villingen. Sängers Version wurde vom virtuosen kanadischen Pianisten inspiriert. Und immer wieder fühlt er sich durch die kreativen Interpretationen des Franzosen Martial Solal herausgefordert, der bei MPS zahlreiche wunderbare Aufnahmen eingespielt hat und Standards stets ein neues Gewand gibt. Das schafft auch Sänger bei Ellingtons „In A Sentimental Mood“, bei Jimmy van Heusens Ballade „Darn That Dream“ oder dem Gershwin-Medley „Fascinating Rhythm/I Got Rhythm“, bei denen Solals Einfluss herausklingt. Die Eleganz des George Shearing klingt bei „If I Had You“ durch und die Feinsinnigkeit von Bill Evans, der 1967 zu einer eine legendäre Aufnahmesession nach Villingen kam, wird bei „Very Early“ erkennbar. Die Kombination von Bachs „Französischer Suite“ und des Jazzstandards „Loverman“ erinnert an Friedrich Gulda, der viele Jahre zu aussergewöhnlichen Jazz- und Klassikeinspielungen in den Schwarzwald kam.
Diese wohlklingende Verbeugung vor großen Meistern des Jazzpianos klingt weder abgedroschen noch langweilig. Im Gegenteil: die gutbekannten Standards erfahren durch Christof Sänger eine erfrischend-swingende Neuauflage; sie werden mit der Reife eines Jazzmusikers gespielt, der die Tradition gelungen interpretiert und den der früheren Generation der Pianisten respektablen musikalischen Tribut zollt. Eine Aufnahme, die nicht nur Piano-Fans anspricht.